Unsere Themen

Als Fachgesellschaft setzen wir uns für eine traumasensible, queer‑affirmative und medizinisch‑evidenzbasierte Versorgung ein. Auf dieser Seite stellen wir die Kernthemen unserer Arbeit vor – verständlich, nah an der Forschung und konsequent an den Bedürfnissen queerer Menschen orientiert.

1) Unser Neuroansatz nach Bessel van der Kolk

Kernidee: Traumatische Erfahrungen hinterlassen Spuren in Gehirn, Körper und Nervensystem. Häufig bleibt das innere Alarmsystem aktiv: Der Körper reagiert, als wäre Gefahr noch da. Gleichzeitig fällt es schwerer, Gefühle zu benennen oder klar zu denken. Erinnerungen zeigen sich dann oft körpernah – als Enge, Herzrasen, Starre oder Bilderfetzen.

Was bedeutet das für Hilfe und Behandlung?

  • Wir kombinieren Bottom‑up‑Regulation (Atmung, Erdung, Bewegung, Interozeption) mit Top‑down‑Verstehen (Psychoedukation, Sinngebung).

  • Wir achten auf Dosis und Sicherheit: Schrittweise Annäherung statt Überforderung; Stabilisierung vor Verarbeitung.

  • Wir arbeiten affirmierend: Diskriminierungserfahrungen werden ernst genommen; Geschlechtliche Existenz/Identitäten werden respektiert.

  • Wir orientieren uns an Verfahren mit Evidenz, z. B. traumafokussierter KVT, EMDR, Neurofeedback sowie ausgewählten körper‑ und achtsamkeitsbasierten Interventionen in einem strukturierten Rahmen.

Unser Ziel: Das Nervensystem aus Alarm oder Erstarrung in mehr Regulation, Wahlfreiheit und Verbundenheit führen – und damit Symptome, Funktionsbeeinträchtigungen und Leid spürbar reduzieren.

2) Stress queerer Menschen & Trauma

Queere Menschen (z.B. Personen, die sich dem u.a. dem LGBTIQA*-Bereich zuordnen) erleben überdurchschnittlich häufig Ablehnung, Ausgrenzung und Gewalt. Dauerhafter Minderheitenstress – etwa durch Mikroaggressionen, Outing‑Druck oder medizinische Gatekeeping‑Erfahrungen – erhöht das Risiko für seelische Verletzungen und kann Heilung erschweren.
Unser Ansatz: Belastungen kontextualisieren (es liegt nicht „an der Person“), Schutzfaktoren stärken und Versorgungswege barrierearm gestalten.

3) Komplexe Traumatisierungen & Bindung

Wiederholte oder früh beginnende Traumata betreffen oft Bindung, Scham und Selbstwert. Betroffene schwanken zwischen Übererregung und emotionaler Taubheit oder erleben Dissoziation.
Unser Ansatz: Struktur, Verlässlichkeit und Beziehungs‑Sicherheit. Wir fördern Selbstwahrnehmung und Selbstmitgefühl und integrieren vorsichtige Traumaverarbeitung erst auf Basis solider Stabilisierung.

4) Traumasensible, queer‑affirmative Versorgung

Traumasensibilität heißt: Sicherheit, Wahlmöglichkeiten, Transparenz, Zusammenarbeit und Empowerment. Queer‑affirmativ heißt: Sprache, Formulare, Räume und Haltungen spiegeln die Lebensrealitäten von trans, nichtbinären, inter* und weiteren queeren Personen.
In der Praxis: Klare Aufklärung, respektvolle Anrede/Pronomen, gemeinsam getroffene Entscheidungen, Zero‑Tolerance für Diskriminierung.

5) Verfahren mit Evidenz – was hilft wann?

Wir setzen unter anderem folgende Verfahren ein

  • Traumafokussierte KVT & Exposition (inkl. narrativer Ansätze): strukturierte Bearbeitung belastender Erinnerungen.
  • EMDR: bilaterale Stimulation zur Verarbeitung traumatischer Gedächtnisinhalte.
  • Neurofeedback: EEG‑basiertes Training, das die eigene Hirnaktivität in Echtzeit spiegelt und so Selbstregulation, Stabilisierung und die Reduktion von Übererregung unterstützt – indikationsgerecht und traumasensibel eingebettet.
  • Körper‑ und achtsamkeitsbasierte Elemente: Atem, sanfte Aktivierung, sensomotorische Übungen – stets dosisgerecht und eingebettet.
  • Ereigniskorrelierte Potenziale: Millisekundengenaue EEG‑Marker (z. B. P3, LPP), die Aufmerksamkeits‑ und Emotionsverarbeitung abbilden und Veränderungen im Therapieverlauf sichtbar machen – als ergänzende, nicht‑pathologisierende Verlaufsdiagnostik.
  • Psychoedukation & Skills: Verstehen, Einordnen, Selbstregulation üben.
    Wir wählen Methoden individuell, indikationsgerecht und kombinieren sie mit Schutz‑ und Kontextfaktoren.

6) Schutzfaktoren & Community‑Heilung

Heilung braucht mehr als Therapie: sichere Beziehungen, Community, Sinn, Rechte und Teilhabe. Wir fördern Peer‑Support, niedrigschwellige Selbsthilfetools und sichere Räume – offline wie online. Das stärkt Resilienz und mindert Rückfallrisiken.

7) Zugänge, Rechte & Qualitätsentwicklung

Gute Versorgung muss auffindbar, bezahlbar und respektvoll sein. Wir arbeiten an Leitlinien‑Transfer, Fortbildungen und Qualitätsstandards für Praxen und Institutionen – von der Terminvergabe bis zur Nachsorge. Dazu gehören Monitoring, Feedback‑Schleifen und kontinuierliche Wissensaufbereitung.